Kundenzentrierung – die Weiterentwicklung der bisherigen Modelle für die Kundenzufriedenheit
In der online Veranstaltung „Kundenzentrierung – Diskussion zwischen Theorie und Praxis" der Interim Profis wurde über das Thema Kundenorientierung bzw. Kundenzentrierung diskutiert. Dabei kam auch die Frage auf, was denn der Unterschied zwischen Kundenzentrierung und Kundenorientierung sei. Daher folgt zunächst eine aus der historischen Entwicklung abgeleitete Strukturierung des Themas bevor einzelne Aspekte der Kundenzentrierung angesprochen werden.
Strukturierung des Themas Kundenorientierung
Mit zunehmender Globalisierung und steigenden Wettbewerb nach den Wirtschaftswunderjahren galt es neue Wege zu finden die Kunden für sich zu gewinnen. Die Kundenzufriedenheit wurde nun verstärkt fokussiert und es entstanden neue Ansätze mit Einfluss auf die Unternehmensorganisation, Kommunikation und die Kultur eines Unternehmens, um dem Ziel „Kundenzufriedenheit" näher zu kommen:
- 1970er: Total Quality Management (TQM) mit der Konzentration auf die eigene interne Organisation
- 1980er: Service Quality mit der Ausrichtung auf die Kommunikation mit den Kunden
- 1990er: Customer-Relationship-Management (CRM) als Einstieg in das digitale Marketing und den digitalen Vertrieb
- 2000er: Customer Experience, mit dem Ziel das Kundenerlebnis emotional zu verbessern; richtet sich auf die internen und externen Aktivitäten eines Unternehmens
- Seit 2015: Kundenzentrierung; bei diesem Modell richtet das gesamte Unternehmen all sein Tun nach dem Kunden aus.
Auf Basis dieser Strukturierung von Kundenorientierung als Überbegriff und Kundenzentrierung als eine Form der Umsetzung um dem Ziel „Kundenzufriedenheit" näher zu kommen, werden nun verschiedene relevante Faktoren betrachtet.
Die Organisationstruktur im kundenzentrierten Ansatz
Statt Produktbereiche werden Kundensegmente eingeführt, die mit Hilfe des Customer-Relationship-Managements regelmäßig angepasst und individuell angesprochen werden können. Bereiche, die keinen direkten Kontakt zum Endkunden haben, müssen die anderen Bereiche in der Form unterstützen, damit sich diese bestmöglich auf die Endkunden ausrichten können.
Abbildung 1: Hauptprozesse richten sich direkt am Endkunden aus, während sich die Unterstützungsprozesse an ihre internen Kunden orientieren.
Die Unternehmenskultur unter Kundenzentrierung
Alle Mitarbeiter sind für ihre (internen / externen) Kunden da und müssen sich gegebenenfalls auch gegen den Vorgesetzten für den Kunden einsetzen. In der Literatur wird daher gerne vom Mitarbeiter als „Anwalt des Kunden" gesprochen.
Jeder Mitarbeiter muss über seinen Tellerrand schauen und verstehen, wie sein Kunde arbeitet und was ihm helfen könnte. Die Führung in einem solchen Umfeld mit Kundenorientierung bedeutet, dass die Führungskraft den Mitarbeitern den Rücken freihalten muss und dem Mitarbeiter Entscheidungsfreiheiten einräumt. Außerdem steht die Führungskraft dem Mitarbeiter als Coach zur Verfügung um ihn bei der Entscheidung mit Erfahrung und Fachwissen zu helfen.
Mit dem Kunden wird partnerschaftliche umgegangen, d.h. die langfristige Kundenbindung ist wichtiger als die maximale Preiserzielung, der Kunde wird beraten, um Fehler zu vermeiden. Es wird aktiv in die Beziehung zum Kunden investiert.
Die Performance Kennzahlen orientieren sich an der Kundenzufriedenheit
Um festzustellen, wie stark der Kunde am Unternehmen gebunden ist, können die Umsätze des Kunden nach Volumen, Anteil der Ausgabe an dessen Gesamtbudget sowie die Frequenz der Käufe als wichtige Indikatoren herangezogen werden.
Beliebte Methoden die Kundenzufriedenheit zu messen sind Kundenumfragen, der Customer Satisfaction Score (CSAT), der Net Promoter Score (NPS), der Customer Effort Score (CES), das Social-Media-Monitoring und die Auswertung von Beschwerden und Reklamationen.
Der Verkaufsansatz in der Kundenzentrierung
Beim Verkauf geht es darum dem Kunden möglichst viele Produkte (oder möglichst viele Funktionen, z.B. von einer Software oder einer Maschine) zu verkaufen. Hierzu gehören auch Zusatzservices, wie z.B. die Fernwartung von Maschinen und Software, die Auswertung von Daten, die schnelle und unkomplizierte Ersatzteillieferung oder auch eine Garantieversicherung.
In der Kundenorientierung ist es entsprechend wichtig das Wissen und Verständnis zum Kunden permanent auszubauen. Und hier müssen alle Bereiche mitwirken. Die Kundendaten sind Unternehmenswerte, die sich zunächst nur über die technischen Ausgaben und dem Einsatz von Mitarbeitern in der Bilanz widerspiegeln. Ihr wirklicher Wert zeigt sich in dem damit generierten Umsatz und auch im Verkaufswert eines Unternehmens.
Im weiterem geht der Verkaufsansatz davon aus, dass die Unterschiede des eigenen Produkts zum Konkurrenzprodukt nur gering sind, so dass sich der fachlich orientierte Käufer am Preis und der Lieferzeit orientiert. Dieser Preisfalle kann begegnet werden, wenn der Kunde emotional begeistert werden kann. Verschiedene psychologische Untersuchungen haben gezeigt, dass der Kunde seine Entscheidungen zu 70-90% emotional trifft. Ein guter Grund, sich diesem Potenzial zu widmen.
Kundenorientierung in der Kundenzentrierung bedeutet daher, eine Umgebung und einen Rahmen zu schaffen, damit der für das Unternehmen wertvolle Kunde seine Erwartungen als erfüllt sieht. Und um das zu erreichen, müssen alle Mitarbeiter daran mitarbeiten und es muss die gesamte Wertschöpfungskette vom Lieferanten bis zur Nutzung des Produkts beim Kunden betrachtet werden.
Wettbewerbsvorteile der Kundenzentrierung als Form der Kundenorientierung
Der Aufbau einer engen Beziehung zum Kunden, die zu Loyalität und Partnerschaft führt, benötigt Investitionen, ein Umdenken bei Mitarbeitern und Zeit, um das Vertrauen des Kunden zu gewinnen. Dieser Form der Kundenorientierung stehen aber auch Vorteile gegenüber:
- Die emotionale Bindung zu einem Kunden kann nicht kopiert werden.
- Wer dicht am Kunden dran ist und rechtzeitig einen Bedarf identifiziert, hat im Wettbewerb die Nase vorne.
- Der Kunde weiß aufgrund der Online-Quellen bereits mehr über das Produkt als der Verkäufer, daher kann dieser den Kunden nur mit anderen Faktoren für sich gewinnen.
- Weniger Konflikte aufgrund des Kundenbedarfs und den internen Prozessen führt auch zu mehr Mitarbeiterzufriedenheit und höherer -motivation.
Abbildung 2: Vorteile der Kundenzentrierung (in Anlehnung an Evans, Gareth (2016): Customer Centricity)
Fazit zu Kundenzentrierung als Form der Kundenorientierung
In der Organisation eines Unternehmens muss man sich zwischen der Produktorientierung und der Kundenorientierung entscheiden. Mischformen führen zu Konflikten, da die betroffenen Bereiche mit unterschiedlicher Philosophie und Geschäftsausrichtung agieren. So kann ein produktorientierter Unterstützungsprozess, wie z.B. die Marktforschung, die Erwartungen seines internen auf Kunden ausgerichteten Kunden (z.B. Vertrieb) nicht zufriedenstellen, denn die produktorientierte Marktforschung analysiert die Produktbereiche und nicht die für den Vertrieb relevanten Kundensegmente.
Aus diesem Grund kann die Kundenzentrierung als eine weiterentwickelte Form der bisherigen Formen der Kundenorientierung (z.B. TQM, CRM, Customer Experience, vgl. Kapitel 1) angesehen werden, bei der nicht nur die eigenen internen Prozesse sondern auch die externe Ausrichtung, die Organisation, die Philosophie und die Kultur des Unternehmens zum Tragen kommen. Im Grunde muss sich ein Unternehmen mit „Haut und Haar" der Kundenorientierung widmen.
Primär-Quelle und empfohlene Literatur:
Evans, Gareth (2016): Customer Centricity, Why It Is Critical to Your Business and How to Measure it)
Ziel- und umsetzungsorientierte Führungskraft für digitale Transformation und kundenzentrierte Ausrichtung von Unternehmen; langjährige Erfahrung in E-Commerce, Veränderungen und Strategieentwicklung
Erfahrung und Schwerpunkte:
Interimistische Leitung E-Commerce und Projektleitung für Veränderungen (Change-Management) und digitale Transformation mit Blick auf Kundenzentrierung. Aufbau und Restrukturierung von E-Commerce-Bereichen B2B, B2C; Kundenorientierte Ausrichtung der Marketing- und Vertriebsprozesse inkl. E-Commerce und Kundenservice mit Unterstützung der digitalen Transformation, Change-Management und der Optimierung der Customer-Journey. Durchgängig hohe Qualität der Kundenkommunikation in den Points of Contact. Entwicklung einer Strategie zur digitalen Transformation mit Blick auf Kundenorientierung und Förderung der Lean-Architecture in Zusammenarbeit mit der IT; Aufbau und Begleitung agiler Teams und agiler Führungskräfte; Aufbau von Wachstumsgrundlagen durch die konsequente Ausrichtung des Unternehmens auf Kundenbedürfnisse und erhöhte Effizienz durch Digitalisierung und agilen Strukturen.
Mehr zu Frau Vier: https://www.ecommerce-management.de/